Prozessverantwortung professionell verteilen und justieren
„na klar, aber wie?“
Dass es Prozessverantwortung gibt und dass diese benötigt wird, bestreitet im Jahr 2024 wohl kaum noch jemand. Im Gegenteil, den Begriff kennt in den Sparkassen und Banken inzwischen wohl Jede(r).
Da enden dann aber häufig auch schon die Gemeinsamkeiten. Denn was das genau (in Aufgaben) bedeutet und beinhaltet, wer sie erhält, wie sie praktisch wahrgenommen wird, wann sie überprüft werden sollte; das wird höchst unterschiedlich interpretiert und gehandhabt.
Wenn die vielen Prozesse im Standard verfügbar sind, ist es dann nicht möglich die Prozessverantwortung und deren Handhabung ebenfalls zu vereinheitlichen?
Basis aller Überlegungen ist immer die Suche nach der größtmöglichen fachlichen Expertise für einen Prozess. Das Ergebnis dieser Suche kombiniert man in der Folge mit dem ökonomisch sinnvollsten Ansatz aus den Komponenten Qualität und Kosten. Als dritte Komponente sollte unbedingt die Praktikabilität der Leistungserbringung berücksichtigt werden (d.h. die maximale Arbeitslast für eine Einzelperson, die nicht zum mittelfristigen Verlust der fachlichen Expertise führt).
Das hört sich kompliziert an? Ehrlicherweise ist es das auch. Denn ein Lösungsmechanismus ist damit auf jeden Fall raus aus der Verlosung: einfach mal verteilen.
Wie geht man es also seriös an? Zunächst gilt es zu definieren, was Prozessverantwortung als Leistungs- und Aufgabenspektrum beinhalten soll. Das kann natürlich nur eine Momentaufnahme sein, da der Gesetzgeber beständig für neue Aufgaben sorgt. Im Frühjahr 2024 beinhaltet Prozessverantwortung vier Hauptaufgabenschwerpunkte:
Diese sind zunächst genereller Natur und haben noch nichts mit konkreten Prozessen zu tun. Sie sind später die Basis für die Frage, wieviel konkreter Arbeitsaufwand je Prozess in einem Zeitraum x anfällt. Gleichzeitig wird verhindert, dass jede Person, die Prozessverantwortung trägt, die Aufgabenstellung unterschiedlich interpretiert.
Der nächste Schritt beinhaltet die Suche nach der größtmöglichen Expertise. Theoretisch kann diese Expertise an unterschiedlichen Stellen zu finden sein: zentral in einem Stab, dezentral über den kompletten Betrieb verteilt, bei Führungskräften, bei Mitarbeitern. Schnell wird Ihnen klar werden, dass Sie oft genug die Wahl zwischen verschiedenen kompetenten Menschen haben. Daher wählt man grundsätzlich den ökonomisch sinnvollsten Weg. Das wird nicht selten eine Verteilung ohne Redundanzen sein.
STELTE Unternehmensberatung schlägt an dieser Stelle häufig eine dezentrale Verteilung vor und zwar auf Hauptprozessebene.
Die eigentliche Kunst liegt im Feintuning.
Die Prozesse unterscheiden sich nicht nur inhaltlich stark. Je nach Themenstellung ist die Komplexität der Prozesse sehr unterschiedlich. Daraus folgt, dass gelieferte Prozessdokumente einen unterschiedlichen Umfang haben, was dazu führt, dass das Sichten der Dokumente unterschiedlich viel Zeit in Anspruch nimmt. Hinzu kommt, dass die 4 genannten Hauptaufgaben (Abb.1) nicht komplett bei allen Prozessen in jedem Jahr anfallen (es wäre zumindest purer Zufall, dass ein und derselbe Prozess jährlich wiederkehrend überarbeitet, bzw. geändert wird). Die Überprüfungsrhythmen aufgrund der Risikoeinstufung der Prozesse unterscheiden sich ebenfalls stark. Kurzum: Jeder Prozess muss sehr gründlich in Bezug auf den entstehenden Aufwand betrachtet und eingeschätzt werden. Dies geschieht auf der untersten Prozessebene.
Wenn das erledigt ist, werden die potenziellen Prozessverantwortlichen den Prozessen zu sortiert (siehe obenstehende Logik).
Über alle Prozesse gesehen ergibt sich so der Gesamtaufwand einer Sparkasse/Bank für das Thema Prozessverantwortung.
Das Ergebnis erschrickt im Normalfall in der absoluten Darstellung niemanden. Die Frage ist eher, wie viele Menschen als Prozessverantwortliche zur Verfügung stehen. Anders ausgedrückt, muss entschieden werden, wie hoch der Belastungsanteil einer Einzelperson sein darf.
Hierfür spielen wiederum zwei Grundüberlegungen eine Rolle:
- Wie sollte das Verhältnis Prozessverantwortung zu Tagesgeschäft maximal ausfallen (in Bezug auf ein Arbeitsjahr)?
- Wieviel punktuelle Belastung verträgt das Tagesgeschäft?
Die zweite Frage ist insofern von Relevanz, als dass bei der Umsetzung von Prozessänderungen eine sog. „Releasetreue“ unterstellt wird. Für den Begriff gibt es keine gesetzlich definierte Legaldefinition. In unserer Arbeitspraxis empfehlen wir i.d.R. einen Zeitraum von 6-8 Wochen nach Veröffentlichung der Änderung.
Bitte beachten Sie auch, dass wenn Sie zu wenige Prozesse auf eine Person zuordnen, die Sparkasse mit zum Teil massiven Produktivitätseinbußen in Bezug auf Prozessverantwortung aufgrund fehlender Routine rechnen muss.
Aus all diesen Überlegungen ergibt sich die konkrete Vergabe der Prozessverantwortung. Nicht immer wird man alle Faktoren berücksichtigen können. In einigen Themenbereichen verfügen die Sparkassen und Banken über eine sehr begrenzte Anzahl von inhaltlichen Experten. Hier ist es in der Praxis schwierig die Ansprüche des Tagesgeschäfts und der Prozessverantwortung unter „einen Hut“ zu bekommen.
Abschließend noch ein Wort zur Langlebigkeit all dieser Überlegungen. Grundsätzlich kann man die Prozessverantwortung einmalig vergeben und muss das nicht zwingend regelmäßig neu regeln. Allerdings unterliegt das Aufgabengebiet einer Besonderheit, die man so bei einer „normalen“ Personalbedarfsermittlung nicht antrifft. Es wäre sehr verwunderlich, wenn sich jährlich wiederkehrend, immer dieselben Prozesse in exakt dem gleichen Umfang ändern würden. Da das in der Praxis so nicht zu beobachten ist, kann es sein, dass ein Prozessverantwortlicher mit vermeintlich wenigen zugeordneten Prozessen in einem Jahr plötzlich mehr Arbeit damit haben kann als jemand dem viele, aber nicht geänderte Prozesse zugeordnet sind (um nur ein Beispiel zu nennen).
Um also den durchschnittlichen Aufwand für die Prozessverantwortlichen irgendwann realistisch abbilden zu können, wird die Arbeitsverteilung mehrere Jahre hintereinander nachvollzogen. Im Schnitt von ca. 5 Jahren ergibt sich ein realistisches Bild.
Entscheidend für den Erfolg von Prozessverantwortung ist nicht nur die Vergabe der Verantwortung und die Verteilung der Aufgaben, sondern ein Verständnis bei den Linienvorgesetzten dafür, dass die Aufgaben der Prozessverantwortung absolut gleichrangig zum Tagesgeschäft sind. Durch den punktuellen Anfall der Prozessänderungen kann es sogar dazu kommen, dass die Aufgaben der Prozessverantwortung vorrangig abzuarbeiten sind.
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Thomas Stelte
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